Sexualbegleitung

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In diesem Blog möchte ich einen kleinen Einblick in meine Arbeit als Sexualbegleiterin gewähren. Kurze oder längere Geschichten aus dem Alltag, Dinge die mich beschäftigen, Kurzfilme zu Thema Sexualbegleitung. Das alles sollte zum nachdenken animieren und das Bild der Sexarbeit in allgemeinen verändern.

Alle Namen und Orte in den Geschichten sind geändert um die Anonymität der Klienten zu gewährleisten.


Behinderten Sex

Es ist Montag. Das Handy zeigt 5:38 Uhr. Ich bin gerade munter geworden. Aaaahhh, genüsslich strecke ich mich aus. Am liebsten würde ich mich noch einmal in meine Decke reinkuscheln und es mir gemütlich im Bett machen. Einfach noch ein wenig mützeln. Geht nicht. Montag ist der erste Arbeitstag dieser Woche. Wie jede Woche. Naja, fast...ich fahre auch hin und wieder in den Urlaub und da ist der Montag ein freier Tag. Oohhh ja, Urlaub. Ich fange an zu träumen: Jetzt irgendwo in Kroatien oder Griechenland. Am Strand sitzen, der Blick über das Meer Richtung Horizont gerichtet, die Sonne im Gesicht und die leichte Meeresbrise im Haar spüren.

Einfach die Seele baumeln lassen. Ein Restaurant besuchen, wo sich Einheimische und Touristen von dem netten Kellner einen wohlschmeckenden Fisch servieren lassen oder ein Glas Rotwein bei einem atemberaubenden Sonnenuntergang genießen. Wie schön wäre das, träume ich ganz kurz. Aus! Aus! Es ist Montag! Du musst arbeiten gehen! Total verschlafen, kaum munter, halte ich mein Arbeitshandy in der Hand.....mal schauen was sich über die Nacht getan hat. Hat sich ein Stammkunde per WhatsApp gemeldet? .... ein paar Nachrichten ....nix Außerordentliches, ganz normale Nachrichten. Ob es mir gut geht, wann ich Zeit habe und etwas Lustiges ist auch dabei. Ich liebe es, wenn der Tag mit einem Lächeln beginnt. Jetzt noch das Geschäftliche erledigen. Meine Emails durchlesen, Inserate bearbeiten, abgelaufene Inserate neu schalten, ein hübsches Foto aussuchen, Anfragen beantworten. Nach einigen klassischen Anfragen wie "wann hast du Zeit", "wie geht's dir", "was machst du" und "was es kostet", die ich schnell beantwortet habe, kommt eine Anfrage mit der Überschrift "Behinderten Sex". Das hat meine Aufmerksamkeit erregt. Eine außergewöhnliche Überschrift. Wer schreibt so etwas und wieso? Ich lese aufmerksam den Anfragetext. "Würdest du mich besuchen kommen? Ich bin ein körperlich behinderter Mann. Was machst du und was kostet es? Würdest du mit mir gemeinsam auch duschen?" Ich antworte höflich und ausführlich und empfehle zum Schluss einen Anruf bei mir mit der Begründung, es sei "viel einfacher". Habe ich mir damals gedacht. Es sollte anders kommen. Eine kurze Zeit später, klingelt mein Handy. Ich hebe ab " Halli hallo" sage ich fröhlich. Ein schwer zu verstehendes "Hallo, hier ist Karl" kommt von der anderen Seite. Danach folgte ein längeres Gespräch, denn ich musste mehrmals um Wiederholung bitten oder nachfragen, ob ich alles richtig verstanden habe. Am Ende des Gesprächs sind wir so verblieben, dass wir lieber schreiben werden. Das schreiben wäre in dem Fall "viel einfacher". Ich wurde nachdenklich. So unterschiedlich kann es sein. So unterschiedlich sind die Realitäten, denn so verschieden sind auch die Menschen. Das, was für einen "viel einfacher" ist, ist für den anderen "viel schwieriger". Da ich gelernt habe, nicht zu bewerten, Situationen und Menschen so anzunehmen, wie sie sind, habe ich mich auf dieses "Abenteuer" eingelassen. Und ich wurde belohnt. Aber dazu später.

Ein Hausbesuch beim "Karl (70)" war ausgemacht. Die Adresse per SMS ist angekommen und somit machte ich mich paar Tage später auf den Weg nach Mödling. Bissi aufgeregt, was ganz normal ist, aber auch neugierig, wer mich empfangen wird.
Endlich bin ich angekommen. Ein schönes Einfamilienhaus. Ich parke wie ausgemacht in der Garagenauffahrt. Aufgeregt steige ich aus meinem Auto, zupfe nervös an meinem Rock und geh zu Tür. Ein Licht mit Bewegungsmelder geht an. Ich klingle. Aus dem Inneren des Hauses kommt ein "es ist offen, komm rein". Ich folge und betrete den Flur. Es kommt mir ein älterer, sichtlich bewegungseingeschränkter Herr mit einem breiten Lächeln im Gesicht entgegen. Er strahlt so vor Freude, ich bin total beeindruckt. Wir setzen uns hin und plaudern ein wenig. Über seine Behinderung, sein Leben und seine Wünsche mich betreffend. Ich tue mir anfangs schwer ihn zu verstehen, aber das legt sich nach ein paar Minuten. Und so gehen wir nach einiger Zeit gemeinsam in die Dusche, denn das ist sein Wunsch. Er möchte wieder einmal mit einer nackten Frau duschen, ihre Brüste und Po streicheln. Und möchte selbst von einer Frau gestreichelt werden. Karl sagt, "es geht unter der Dusche, wo deine Haut nass und mit Seife bedeckt ist, viel leichter als sonst. Denn so rutscht meine Hand besser." Ja natürlich. Ist doch logisch, so einfach. Wie kann es sein, dass ich an das nicht gedacht habe? Mir wird erneut bewusst, dass meine Realität anders ist als die von Karl. "Ich habe eine Bitte an dich, würdest du mir den Kopf waschen? Ich kann das selber nicht"! Natürlich wasche ich seinen Kopf und helfe anschließend beim Abtrocknen. Danach plaudern wir noch über Gott und die Welt. Eine Weile später verlasse ich ihn und fahre wieder nach Wien. Die Begegnung mit Karl beschäftigt mich noch einige Tage danach. Manche Sachen, wie zum Beispiel sich die Haare selbst zu waschen, sich zu rasieren, anziehen oder sich das Essen aufwärmen sehen wir als selbstverständlich obwohl sie es nicht sind. Es sind unter uns Menschen, die diese einfachen Dinge alleine nicht schaffen. Trotz allen Umständen hat Karl einen positiven Zugang zum Leben. Seine offene Art über sein Leben zu sprechen, der Blickwinkel mit dem er die Welt betrachtet und seine Lebenslust haben mich total beeindruckt.
Ein paar Tage später besuchte ich Karl erneut und wir hatten viel Spaß miteinander. Wir haben sein altes Fotoalbum durchgesehen, Geschichten erzählt und natürlich sind wir auch gemeinsam unter die Dusche gegangen. Mittlerweile, einige Monate später ist aus dem anfänglichen "Abenteuer" eine Freundschaft entstanden. Eine Freundschaft mit geschäftlichem Hintergrund. Eine Freundschaft, die auf gegenseitigem Respekt und Wertschätzung basiert, die ein Wachstum und eine Bewusstseinsveränderung auf beiden Seiten unterstützt. Das ist für mich eine wertvolle Belohnung, für die ich sehr dankbar bin.

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